Rezension: "Unternehmensreputation und Stakeholder-Loyalität"


Helm definiert Reputation als das „Ansehen der Unternehmung in der Öffentlichkeit“. Sie benutzt den ‚guten Ruf’ als Synonym. Helm betrachtet die Reputation aus betriebswirtschaftlicher Sicht – ist denn auch ihre Habilitation in der betriebwirtschaftlichen Fakultät der Universität Düsseldorf eingereicht worden. Sie stellt fest, dass das Thema der Reputation bis 2004 kaum wissenschaftlich untersucht wurde und die Definition und Operationalisierung des Konstrukts Reputation zu dem Zeitpunkt ihrer Forschungen undifferenziert und diffus war. Diesen Zustand behebt Helm durch eine sehr detaillierte Darstellung der verschiedensten Verständnisse von Reputation in unterschiedlichsten Theorieströmungen. Zweiter Untersuchungsgegenstand ihrer Arbeit ist der Zusammenhang von Stakeholder-Loyalität und Reputation. Helm konzentriert sich dabei auf die Stakeholdergruppen Konsumenten, Mitarbeiter und Aktionäre. Helm geht von dem Verständnis aus, dass die Reputation die eigenen Erfahrungen und die Stakeholder-Loyalität beeinflusst. Diese zwei abhängigen Variablen wiederum stehen ebenfalls miteinander in Beziehung.
Helms Auseinandersetzung mit der Operationalisierung von Reputation stellt einen Meilenstein in der aktuellen Diskussion um Wertschöpfung durch Kommunikation dar. Sie arbeitet detailliert die Definitionen und Abgrenzungen von Begriffen wie Identität, Image, Vertrauen, Glaubwürdigkeit, Reputation heraus. Zum Teil gibt es verwirrende Überschneidungen und wechselseitige Abhängigkeiten zwischen diesen Konstrukten (Ei oder Henne, was war zuerst da?). Einen solchen Umkehrschluss stellt Helm zum Beispiel bei der Beziehung zwischen Reputation und Vertrauen fest: „De facto ist Reputation nicht nur Voraussetzung für das Entstehen von Vertrauen, sondern zugleich dessen Wirkung“ (S. 51). Auch die Differenzierung von Image und Reputation stellt sich nicht so einfach dar. Es zeichnet sich allerdings ab, dass Reputation das weiterreichende und tiefergehende Konstrukt ist: es setzt Kommunikation und personelles oder institutionelles Handeln voraus, befasst sich mit Vertrauen und impliziert eine Bewertung (S. 45). Der immer öfter behauptete und teilweise hemdsärmelig berechnete Einfluss der Reputation auf den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens wird als unhaltbar und nicht wissenschaftlich belegt identifiziert (S. 77f). Helm konstatiert, dass wenn, dann wohl zumindest kurzfristig von einem umgekehrten Einfluss des Unternehmenserfolgs auf die Reputation ausgegangen werden müsste (S. 80): Das wirtschaftliche Ergebnis also beeinflusse die Reputation. Bei schlechter wirtschaftlicher Performance sei es schwierig, ein gutes Image zu erzeugen. Dass Reputation langfristig wertstiftenden Charakter hat, ist hingegen unumstritten (S. 118).
Es dreht sich alles um die Begriffe Korrelation und Kausalität, die zwei unterschiedliche Paare von Schuhen sind: Wenn gutes Wetter die Stimmung hebt, dann ist es nicht zwangsläufig so, dass man bei Sonnenschein immer gute Laune hat. Einen Ausweg aus diesem Dilemma nimmt Helm, indem sie sich auf die vorökonomische Größe des Verhaltens der Stakeholder konzentriert und nicht versucht, eine direkte Beziehung zwischen Unternehmenserfolg und Reputation herzustellen.
Bevor Helm die Reputation aber messen kann, muss das Konstrukt operationalisiert werden – ein Unterfangen, das bei einem so komplexen Gebilde gar nicht so einfach ist. Sie stellt die Ansätze des manager magazins, ‚Fortune’s most admired companies’ und den Reputation Quotient von Fombrun (RQ) dar, um zu zeigen, wie Reputation in diesen anerkannten Studien operationalisiert wird und wurde. Helm arbeitet die Stärken und Schwächen dieser Analysen heraus und baut darauf ihr Untersuchungsdesign auf, mit dem sie im siebten Kapitel selbst eine Stakeholderbefragung durchführt.
Helm stellt im zweiten Teil ihrer Arbeit (Kapitel 5-7) zunächst den theoretischen Komplex des Stakeholderansatzes dar, bevor sie die Reputations- und Loyalitätsfaktoren der Stakeholdergruppen Mitarbeiter, Konsumenten und Aktionäre differenziert herausarbeitet. Für jede dieser Gruppen stellt sie folgende Hypothesen auf:
1. Je positiver der Ruf der Unternehmung in der Wahrnehmung des Gruppenmitglieds ist, desto positiver sind seine eigenen Erfahrungen mit der Unternehmung.
2. Je positiver die eigenen Erfahrungen des Gruppenmitglieds mit der Unternehmung sind, desto loyaler ist er.
3. Je positiver der Ruf der Unternehmung in der Wahrnehmung des Gruppenmitglieds ist, desto loyaler ist er.
In einer Stakeholderbefragung bei einem großen Konsumgüterunternehmen führte Helm eine umfangreiche Untersuchung zu diesen Hypothesen durch. Für jedes der drei untersuchten Kernelemente Reputation, Loyalität und eigene Erfahrungen stellte Helm durch intensive Pretests ein Set von Indikatoren zusammen. Für die Reputation wurden zehn Indikatoren eingesetzt: Qualität der Produkte, Preis-Leistungs-Verhältnis der Produkte, Engagement für den Umweltschutz, Unternehmerischer Erfolg, Verhalten gegenüber Mitarbeitern, Kundenorientierung, Engagement für wohltätige Zwecke, finanzielle Lage des Unternehmens, Qualifikation des Managements und Einhaltung von Werbeversprechen.
Als Ergebnis stellt Helm fest, dass die Reputation über die drei Stakeholdergruppen homogen ist und es nur einzelne Verschiebungen gibt (S.339ff). Diese sind durch die jeweilige Relevanz des Aspekts für die Gruppe (z.B. wirtschaftliche Performance für Aktionäre) zu erklären. Es besteht außerdem ein positiver Zusammenhang zwischen Reputation und den eigenen Erfahrungen: Reputation kann den Eindruck der eigenen Erfahrungen verstärken oder schwächen. Außerdem stehen die eigenen Erfahrungen und die Loyalität der Stakeholder in positiver Beziehung zueinander.
Diese Zusammenhänge erscheinen logisch und selbst erklärend. Leider hat Helm nicht untersucht, inwiefern die Reputation einen Aufforderungscharakter bei (noch) Nichtkunden bzw. Nichtmitarbeitern und Nichtaktionären hat. So ist denn das Ergebnis ihrer Studie die Bestätigung eines Bauchgefühls: Natürlich hat es einen Einfluss auf die eigene Herangehensweise an ein Produkt, wenn man selbst mit dem produzierenden Unternehmen in (positiver) Beziehung steht. Stellt sich die Frage, welche Auswirkungen eine schlechte Erfahrung mit den Produkten auf die eigene Einschätzung der Reputation hat (also die umgekehrte Beziehung) bzw. welche Auswirkungen die Reputation auf die Bereitschaft hat, die Produkte auszuprobieren. Leider sind diese Fragestellungen nicht Bestandteil von Helms Untersuchung gewesen. Für den Kommunikationsfachmenschen, dessen Aufgabe es ist, relevante Stakeholdergruppen zu gewünschtem Verhalten anzuregen, fehlt hier insofern ein wichtiger Aspekt.
Im letzten Kapitel befasst sich Helm mit den Gegebenheiten und Wägnissen eines Reputationsmanagements. Sie stellt die Relevanz eines Reputationsmanagements für den Unternehmenserfolg heraus und betont die Wichtigkeit von integrierter Kommunikation zur strategischen Reputationssteuerung. Mit einer Zusammenfassung der gesamten Arbeit und Hinweisen auf weitere Forschungspotenziale schließt Helm ihre Habilitation, die für den Bereich der Reputationsforschung einen wichtigen Beitrag leistet.
Das Buch ist klar strukturiert, gut verständlich geschrieben und bietet eine Fülle von Informationen zum Konstrukt Reputation. In manchen Teilen verwirrt die sehr umfassende Darstellung aller Sichtweisen und Definitionen der Konstrukte (z.B. Reputation, Image, Vertrauen, Identität) eher, als das sie Klarheit bietet. Einige Abschnitte sind geprägt von sehr theoretischer bzw. statistischer Sprache, was allerdings in der Natur einer Habilitation liegt. Ebenfalls fällt auf, dass viele Textabschnitte im Originalton Englisch zitiert werden, was den Lesefluss beeinflussen kann.


Rezensin für den http://www.pr-guide/
Praxisnutzen: * von ***
Theoretische Relevanz: *** von ***
Konzeptionell: *** von ***

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