Kommunikation ist NICHT messbar!

Kerstin Thummes hat am letzten Donnerstag für ihre Diplomarbeit zum Thema "Ist Kommunikation messbar?" vom deutschen Pressesprecherverband den Nachwuchspreis 2008 verliehen bekommen.
Kerstin Thummes hat ihre Arbeit am Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft der Technischen Universität Ilmenau geschrieben. Die Arbeit ist eine "kommunikationswissenschaftliche Analyse der Quanitfizierbarkeit von Kommunikation und aktueller Ansätze des Kommunikations-Controllings". Ich durfte sie vorab lesen und war begeistert. Endlich mal jemand, der nicht nur erkennt, sondern auch systematisch nachweist, dass Kommunikation nicht einfach als monetärer Wertschöpfungsbeitrag auszurechnen ist! Und dementsprechend die Kennzahlensysteme des Kommunikations-Controllings als wissenschaftlich unhaltbar enttarnt - da sie genau diese Gesamtmessung von Kommunikationswirkungen vermeintlich vornehmen.

Thummes stellt zunächst relevante Definitionen und Theorien zur Kommunikations und ihrer Messbarkeit aus folgenden Wissenschaftsbereichen dar:
  • den Wirtschaftswissenschaften,
  • der Philosophie, 
  • der Physik  (die Medienwissenschaften sind in Ilmenau an der Fakultät für Mathe und Naturwissenschaften angegliedert!), 
  • den Sozialwissenschaften, 
  • der Kommunikationspsychologie und 
  • der Medienwirkungsforschung. 
Nach dieser umfassenden Bestandsaufnahme und einer detaillierten Untersuchung der Kriterien einer Messung der Kommunikationswirkung, der Anforderungen an eine solche Messung und der Einflußfaktoren auf Kommunikationswirkung kommt Thummes zu dem einfachen aber überzeugenden Ergebnis, dass Kommunikation in seiner Ganzheit nicht messbar ist (S. 81). Lediglich in einzelnen Bereichen, z.B. für einzelne Aktivitäten, können auf der Basis von Korrelationsmessungen Ursache-Wirkungsbeziehungen gemessen werden - die allerdings immer mit Wahrscheinlichkeitsaussagen zu relativieren sind (S. 123), da menschliches Verhalten nie 100% kausal und vorhersagbar ist.

Dieser Feststellung folgt die Darstellung der aktuellen Ansätze zur Evaluation und zum Kommunikations-Controlling (Instrumente von Besson, Bruhn, Fombrun, Rolke, Zerfaß, Pfannenberg, GPRA, TNS Infratest, Schuppener, ICOM, BrandControl, etc.). Thummes überprüft jedes Instrument nach den vorher herausgearbeiteten Kriterien für eine Messung der Kommunikationswirkung und überführt die meisten Instrumente der nichtlegitimen Vereinfachung der komplexen Wirkungszusammenhänge von Kommunikation: "Aus der Übertragung dieser Erkenntnisse auf die praxisbezogenen Ansätze zur Erfolgskontrolle von Organisationskommunikation geht schließlich hervor, dass diese insbesondere in Bezug auf die Plausibilität unterstellter Wirkungszusammenhänge teilweise erhebliche Defizite aufweisen" (S. 123).
Auszug aus Thummes Fazit: "Ohne Frage ist die Einigung auf allgemein anerkannte Vergleichsmaßstäbe für Wirkungen der Unternehmenskommunikation im Experten-Diskurs ein schwieriges Unterfangen. Die vorgestellten Ansätze bilden jedoch eine gute Diskussionsgrundlage. Insbesondere Bessons Kennwertsystem wird den besonderen Eigenschaften von Kommunikation durch die Einbeziehung qualitativer Bewertungen gerecht. Als Beispiel zur Definition hoch aggregierter Kenzahlen stellt der Reputation Quotient ein umfassendes und nachprüfbares Konzept vor. Bentele et al. (vgl. 2005: 161) regen daher die Entwicklung eines Indikatorenmodels für die Kommunikationsstärke eines Unternehmens nach dem Vorbild des RQ an. Die Balanced Scorecard ist ein geeignetes Instrument zur ganzheitlichen Betrachtung und strategischen Ausrichtung der Kommunikationsfunktionen für alle Stakeholdergruppen, solange dei zugrunde liegenden Wirkungszusammenhänge durch Korrelationsmessungen belegt und die Grenzen der Messbarkeit von Kommunikation nicht überschritten werden" (S. 122).
Dem habe ich nichts hinzuzufügen :-)
Eine tolle Arbeit, die ich an einem Nachmittag "verschlungen" habe. Sie erscheint demnächst im Verlag des Pressesprecherverbandes.

PREZI zum Thema!