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KRISEN - Spannend wie ein Kinoabend!

Ich war gestern auf dem Krisenkommunikationsgipfel in Bonn. Frank Roselieb vom Krisennavigator lud zusammen mit der Professorin Dr. Caja Thimm von der Universität Bonn ein. Die Ankündigung der hochkarätigen Vorträge von brisanten Krisen wie ADAC, Lufthansa, Ritter Sport, Ebola, Elbe-Hochwasser und anderen hatte so viel Interesse geweckt, dass der Veranstaltungsraum gewechselt werden musste, um die fast zweihundert Teilnehmer fassen zu können. Die Veranstaltung war hervorragend organisiert, konzentrierte sich auf Inhalte und Erfahrungsaustausch. Es bot sich ein bunter Reigen an Krisen und Katastrophen, die mit viel Sachverstand, einer guten Prise Humor – teilweise auch schwarzem Humor – professionell und kurzweilig vorgetragen wurden. Dabei war es erfrischend, mal eine Veranstaltung mit überschaubarer Teilnehmerzahl in Monoprogramm und ohne Werbestände zu erleben.

Facettenreich wurde deutlich, wie unterschiedlich Krisen sein können und welche Faktoren die Krisenkommunikation beeinflussen:
In manche Krisen gerät die Kommunikation völlig fremdbestimmt. Andere löst sie selbst aus. Teilweise agieren die Medien auch als Treiber, agieren unfair und wider journalistischer Ethik.
Der rechtliche Rahmen ist ein häufiger Begleiter bei Krisen. Sobald strafrechtliche Aspekte, Persönlichkeitsrechte oder andere juristische Zusammenhänge ins Visier rücken, sind dem Kommunikator die Hände gebunden.
Krisen können professionell mit Krisenhandbuch oder viel Erfahrung bewältigt werden. Funktionierende Prozesse können ebenso hilfreich sein wie Reserveteams für die Kommunikationsarbeit, die, aus anderen Abteilungen kommend, in ruhigen Zeiten als „Springer“ in Sachen Kommunikation geschult werden.
Emotionen spielen eine große Rolle bei Krisen: Es kann passieren, dass die Krisensituation dem Betroffenen persönlich den Boden unter den Füßen wegreißt. Oder aber den Mitarbeitern die Loyalität abgräbt. Professionelle Beratung und aktive interne Kommunikation können da Abhilfe verschaffen.
Arbeitszeiten verschmelzen im Krisenfall mit Tageszeiten. Alle Referenten berichteten von 16 oder 18 Stunden Tagen über Tage, Wochen oder Monate. Adrenalin und Drei-Schicht-Organisation, Presseanrufe, die beim Aldi an der Gemüsetheke mit zwei Kindern am Rockzipfel angenommen werden. Der Alltag der Krise geht ans Eingemachte.
Manche Krisen sind kurz und schmerzhaft. Andere scheinen nie aufzuhören, weil den „in Verruf geratenen Unternehmen“ ihr Vergehen noch jahrelang vorgeworfen wird und sie unter Generalverdacht stehen, immer so zu agieren.
Die sozialen Medien stellen für Unternehmen in Krisensituationen eine nicht mehr ganz neue Herausforderung dar. Sie werden mittlerweile standardmäßig beobachtet und beachtet. Durch die organisatorische Trennung von der Unternehmenskommunikation gibt es teilweise Abstimmungsbedarf, der auch durch eine unterschiedliche Kommunikationskultur und andere Gütekriterien beeinflusst wird.
Medien versuchen, die Zusammenarbeit mit den sozialen „Laienreportern“ zu standardisieren, indem sie Systeme für die Kategorisierung von Quellen nach Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit ausprobieren. Die Nutzer werden nicht mehr als Konkurrenz betrachtet, sondern als Quellen genutzt. Ein sinnvoller Weg, den Qualitätsjournalismus zukunftsfähig zu positionieren.
Unternehmen bleiben dem Ansatz weiter treu, erst die eigenen Medien und Kanäle, dann die klassischen Medien und anschließend die sozialen Medien mit Informationen zu beliefern. Die schiere Menge an Nutzer generierten Inhalten ist allen Beteiligten eine Herausforderung. Es werden schnell Ressourcengrenzen erreicht.
Sprache ist ein wichtiger Bestandteil jeder Krise. Die deutsche Sprache ermöglicht eine weite Bandbreite an unterschiedlichen Formulierungen, die zwar gleich klingen, aber in Nuancen sehr unterschiedliche Aussagen zulassen.
Kausale Zusammenhänge sind in komplexen Zusammenhängen immer schwierig zu bestimmen: Den Zusammenhang von Umsatzeinbußen und auslösendem Krisenfall  will der Kommunikationschef nicht machen – es gäbe zu viele andere Faktoren, die diese Umsatzentwicklung ebenfalls verursacht haben könnten. Auch Hamsterkäufe der Verbraucher, die befürchten die heißgeliebte Schokolade bald nicht mehr zu bekommen, werden nicht als „positiver“ Kriseneffekt in Rechnung gestellt.
Recht haben heißt nicht immer Recht bekommen.  Selbst nach gewonnen Prozessen ist ein Reputationsverlust möglich. Die Zwangsläufigkeit von Ursache und Wirkung kann selbst bei einem Freispruch von Schuld nicht erwartet werden.

Die Evaluation der Krise geschieht meist „intuitiv“. Sie wird nicht als solches präsentiert. Es werden Clippings gezählt, Reichweiten genannt. Die Qualität der Medienresonanz wird beobachtet und in Presseschauen dargestellt – letztlich stellt ein BILD Titelblatt das einprägsamste Bild einer Krise dar.
Reputation wird gemessen – wobei dies natürlich in größeren zeitlichen Abständen geschieht.
Zugriffszahlen auf Homepage, Friends und Followers in Netzwerken bilden die Krise ab. Inhaltliche Bewertungen der Kommentare werden ebenfalls gemacht.
Auf Nachfrage gaben die Kommunikationsexperten an, in der Kernphase der Krise nicht täglich die gesamte Resonanz evaluieren zu können. Es wird auf externe Ressourcen zurückgegriffen, Keymedien werden selbst beobachtet.
In Einzelfällen werden auch Abschlussberichte von Krisen erstellt, die der zukünftigen Optimierung von Krisenmanagement dienen.
Vertrauen, Transparenz und Authentizität waren die meist genannten Qualitätskriterien einer erfolgreichen Krisenkommunikation. Wobei sympathisch war, dass auch professionelle Kommunikatoren zugeben, auch mal einfach Glück gehabt zu haben …. oder im Nachspiel durch eine ironische Anzeigenkampagne der Krise ihre persönliche Note verpassen.

Letztlich sind wir doch alle nur Menschen.

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